Im Vorfeld des G20 Gipfels haben Aktivisten in London der Financial Times eins ins Schienbein getreten, und damit ihren Stammlesern den Bankstern auch.
Letzten Freitag haben anti-kapitalistische Protestierer in London Tausende Kopien einer Parodie auf die Financial Times ausgehändigt. Die 12-seitige Ausgabe sieht genau so aus wie das Original, mit dem karakteristischen lachsfarbenen Hintergrund, nur dass die Überschriften entsprechend provokative Artikel ankündigen.
"Die Welt überlebt den Tag der Gleichberechtigung" oder "Kapitalismus ist nicht wirklich Demokratie - offiziell"
Raul Djukanovic, der Redakteur der nachgemachten Financial Times und der Webseite http://ft2020.com/ erzählte der Zeitung Guardian, dass er und seine ungenannten Kollegen die Zeitung erstellt und die Artikel darin geschrieben hätten.
"Journalisten grenzen die öffentliche Debatte ein und die City grenzt die öffentliche Politik ein", sagte er. "Wenn sie ihre Denkart öffenen würden, könnten sie dabei helfen eine andere Welt zu schaffen, statt uns mit Lifstyle Porno und Luftblasen zu ködern."
Die Absicht ist, sagte er, “um die Journalisten dazu anzuregen, darüber nachzudenken was sie tun können um konstruktive Lösungen zu finden. Es ist ihre Aufgabe die Fakten zu unterstützen und nicht Meinungen, aber vieles was berichtet wird ist tatsächlich die Meinung von sehr mächtigen Leuten. Wenn der Premierminister was sagt, dann ist es eine Nachricht. Wenn ich etwas sage ist es keine.”
Die Aktion kostet weniger als 10'000 Pfund und wurde teilweise durch Spenden aus dem Internet finanziert, und das Blatt wurde durch Freiwillige verteilt.
Die Raffinesse der FT Parodie ist ein Zeichen wie fantasievoll und clever die Demonstranten in dieser Woche gegen den G-20 Gipfel in London vorgehen. Was geplant ist habe ich bereits hier berichtet.
Ausser die Zeitung an Pendler der Rush-Hour am Morgen auszuhändigen, hat Djukanovic persönlich 200 Exemplare in den Büros der “echten” Financial Times abgegeben. Sie haben kaum darauf reagiert.
“Es ist nicht das erste Mal, dass so was passiert”, sagte ein Sprecher der FT und fügte hinzu, “wir werden weiter uns auf die Berichterstattung über den G20-Gipfel konzentrieren und diesen analysieren. Es ist nicht die FT, kein Kommentar.”
Die New York Times war bereits das Ziel einer ähnlichen Parodie im November, als kritische Witzbolde eine Kopie mit der Überschrift verteilten, “Iraq War Ends” der Irakkrieg ist beendet.
Auch in Deutschland haben Aktivisten der Attac am 22. März 250.000 Exemplare einer gefälschten Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" verteilt. Darin standen zum Beispiel Schlagzeilen wie: "Opel in Belegschaftshand, Banken verstaatlicht: Eine neue Ära beginnt." oder aber "Ohne Lobby- Mehr Demokratie! Neues Gesetzespaket soll den Einfluss von Lobbyisten beschränken und so die Demokratie fördern."
Dem Herausgebern der Zeit schrieben sie unter anderem: "Wir verfolgen die sich ständig übertreffenden Krisenmeldungen aus aller Welt, wie Sie sicher auch, mit grosser Sorge. Wir wünschen uns eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise nun zu verfahren ist. Wir wollen Ursachen verstehen und Alternativen entwickelt sehen. Ein 'Weiter so!' kann es auch nach der Krise nicht geben."
Die nachgemachte FT widmet den meisten Platz, um den Zustand der Weltwirtschaft und die extremen Auswüchse des Wall Street Kapitalismus zu beleuchten. Aber die Absicht ist auch den Journalisten vorzuwerfen, dass sie viel zu wenig Kritik und Skepsis über die kriminellen Vorgänge in der Finanzbranche äussern.
In einem Artikel des FT-Plagiats steht, “Eine Umfrage durch das National Credulity Office (nationalen Büro für Leichtgläubigkeit) hat Journalisten an den dritten Platz gestellt, hinter Financies und Bankchefs, was die Glaubwürdigkeit ihrer offiziellen Aussagen betrifft.”
Laut einer begleitenden Pressemeldung, die mit der Zeitung herausgegeben wurde, hat die “falsche” FT das Ziel “die Ausrede für Apathie aufzubrechen. Wenn wir nicht die Art und Weise wie wir leben radikal ändern, werden wir unsere Welt innerhalb von Jahrzenten unbewohnbar machen. Es ist Zeit für drastisches Handeln, und wenn die Regierungen es nicht tun, dann werden wir selber handeln müssen.”
Kommentar: Da hatten die Macher der Satire noch Glück, denn das letzte Mal wo etwas ähnliches in London veröffentlicht wurde - ein Plagiat des Evening Standard hiess Evading Standards - gab es eine Polizeirazzia und die Zeitung wurde vor der Verteilung beschlagnahmt. Kreative Satire als Ausdruck des Protests wird von den britischen Behörden als tödliche Bedrohung angesehen. Man darf sich aber dadurch nicht einschüchtern lassen und muss weiter gegen das Medienmonopol und einseitige Berichterstattung ankämpfen.
Schön wäre es, wenn die Vereinszeitung der Finanzindustrie, die wirklichen kriminellen Vorgänge der Branche mal aufzeigen würde, statt Hofberichterstattung, kapitalistische Propaganda und Desinformation zu verbreiten. Dann könnte sie sich richtigerweise in Financial Crimes umtaufen, denn es gibt genug Stoff die Zeitung jeden Tag komplett mit der Aufdeckung der kriminellen Machenschaften und Verbrechen der Finanzmafia zu füllen. Aber so vertuscht sie nur die Wahrheit und dient als Sprachrohr für die Oberkriminellen, die uns um Billionen abzocken und in eine Krise stürzen.
Financial Times Crimes - wir leben von den Finanzverbrechen!
Montag, 30. März 2009
Die Financial Times Crimes Parodie
Eingestellt von Freeman-Fortsetzung um 01:24
Labels: Medien, Protest, Wirtschaft
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