Eine 26 jährige Brasilianerin Paula O. hat am vergangenen Montag behauptet, sie wäre beim Bahnhof Stettbach in Zürich von Neonazis angegriffen und mit Messern schwer am Körper verletzt worden. Sie wäre misshandelt worden und hätte deshalb als Schwangere ihre zwei ungeborenen Kinder verloren. Sie hätten sie in den Bauch getreten und so ihre Zwillinge getötet.
Diese Meldung verursachte einen riesen Wirbel in den Medien, die ganze Schweiz war erschüttert. Speziell in Brasilien gab es übergrosse Schlagzeilen und es wurde von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus ja sogar von Holocaust gesprochen. Die Journalisten überschlugen sich mit Empörung.
Aber auch die Politiker, bis hin zur brasilianischen Regierung, benutzen starke Worte, es wurden happige Vorwürfe an die Adresse der Schweiz geäussert. Statt den offiziellen Bericht der Untersuchungsbehörden abzuwarten, wurde der Schilderung von Paula O. geglaubt, der Botschafter der Schweiz ins brasilianische Aussenministerium zitiert, ja sogar Brasiliens Präsident Lula da Silva ging auf die Schweiz los und wollte den Fall vor das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte bringen.
Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Brasilien stürzte in eine Krise.
Die Untersuchungsergebnisse der Behörden haben jetzt zu Tage gebracht, Paula O. war nie schwanger, ist nicht überfallen worden, sie hatte keinen Abort und die Wunden hat sie sich selber zugefügt. Die ganze Geschichte hat sie frei erfunden.
Brasiliens Medien rudern im Fall Paula O. jetzt kräftig zurück. Die grösste brasilianische Qualitätszeitung "Folha de Sao Paulo" hat heute Sonntag deutliche Selbstkritik geübt. Sie schreibt "Wir sterben alle vor Schande angesichts der Wendung im Falle Paula O." Niemand habe irgendeinen Skinhead gesehen, es handelt sich um Selbstverstümmelung und die Frau sei nicht einmal schwanger gewesen.
Die Zeitung erinnert kritisch an vorschnelle Äusserungen von Staatschef Lula und Aussenminister Celso Amorim über Gewalt und offenkundige Ausländerfeindlichkeit in der Schweiz. Brasilianische Fernsehanstalten und Zeitungen hätten sich vor Empörung aufgeblasen, Gruppen von Brasilianern hätten geplant, heute auf den Strassen von Zürich zu protestieren. Doch nun sei alles anders gekommen: "Um vexame!" - was für eine Blamage.
Was war passiert?
Paula O. behauptete, sie wäre am vergangenen Montag gegen 19.30 Uhr zu Fuss beim Bahnhof Stettbach unterwegs. Sie telefonierte mit ihrer Mutter, sprach mit ihr auf Portugiesisch. Auf einmal hätten sie mehrere Personen attackiert, erzählte die 26-Jährige der Polizei. Die Neonazis hätten sie festgehalten, mit Fusstritten traktiert und ihr mit einem Teppichmesser die Buchstaben "SVP" in Bauch und Beine geritzt und ihr weitere Schnittverletzungen zugefügt. Als die Männer von der jungen Frau abliessen, habe sich die junge Frau zur Damentoilette des Bahnhofs geschleppt. Hier erlitt sie nach eigenen Angaben eine Fehlgeburt. Danach rief sie ihren Schweizer Freund an. Dieser habe die Polizei verständigt.
Der Fall machte in Brasilien grosse Schlagzeilen, denn Paule O. ist die Tochter eines landesweit bekannten Anwalts. Von dort kamen dann happige Vorwürfe an die Zürcher Behörden.
Der Schweizer Botschafter in Brasilien wurde ins Aussenministerium zitiert. Der Aussenminister Celso Amorim forderte die Schweiz formell um eine "vollständige und transparente" Untersuchung. Auch die brasilianische Konsulin in Zürich macht Druck auf die Zürcher Behörden: "Die brasilianische Regierung erwartet, dass die Ermittler mit aller Kraft die Schuldigen suchen, und dass die Täter dann auch bestraft werden".
Die Zürcher Polizei hegte ihre Zweifel an der Version der jungen Juristin. Doch Brasilien machte weiter Druck auf die Schweizer Behörden. Die brasilianische Regierung liess verlauten, sie könne die Angelegenheit vor das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte bringen. Und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva meldete sich zu der angeblichen Ritz-Attacke persönlich zu Wort: "Ich denke, dass wir das nicht akzeptieren können", sagte er. "Und wir können bei einer solchen Attacke gegen eine Brasilianerin im Ausland nicht schweigen."
Der Vater der 26-Jährigen, ein in Brasilien landesweit bekannter Anwalt, reiste sofort in die Schweiz und erhebte schwere Vorwürfe gegen die Zürcher Polizei: Die Beamten hätten der Frau gedroht, sie müsse mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie die Unwahrheit erzähle. Und im brasilianischen TV sagte ein Onkel, die Polizei habe die Frau nicht ernst genommen.
Mit ihrer Geschichte stürzt die Juristin aus Brasilien das Verhältnis zwischen der Schweiz und ihrem Heimatland in die Krise.
Der Zürcher Rechtsmediziner Walter Bär sagte nun an der Pressekonferenz der Stadtpolizei Zürich: "Mir genügte ein Blick auf ihre Verletzungen, und mir war klar: ein lehrbuchmässiger Fall von Selbstverletzung." Denn die Wunden waren nur oberflächlich, an Stellen, die für Paula leicht erreichbar sind.
Ausserdem "auffällig gleichförmig", manche Schnitte gar doppelt nachgezogen. Und besonders schmerzempfindliche Stellen – Brustwarzen, Bauchnabel, Genitalbereich – waren unversehrt. Das würde anders aussehen, hätte sich die Frau wirklich strampelnd gegen Unholde gewehrt.
"Zudem war die Frau zum Zeitpunkt des Vorfalls und auch die Tage davor gar nicht schwanger", erklärt Bär.
Die Familie lies das aber alles nicht gelten. Paulo Oliveira, ihr Vater, glaubt Paula immer noch: "Die Polizei will das Opfer zur Täterin machen. Methoden wie bei den Nazis", sagt er zur brasilianischen Zeitung "Estado de São Paulo".
Auch ihr Verlobter Marco behauptet es weiterhin. "Sie hat Albträume, Angstzustände, traut sich nicht mehr auf die Strasse", sagt er zur Zeitung "Folha de São Paulo". Brasiliens Medien waren ebenso auf ihrer Seite. "Bei uns denkt man, die Polizei wolle etwas vertuschen", sagt Marcelo Ninio, Genf-Korrespondent von "Folha de São Paulo. "Keiner kann sich vorstellen, dass sie sich selbst verletzt hat."
Und eine brasilianische TV-Reporterin schimpfte: "Paula ist eine anständige Frau, eine Juristin! Wie könnte sie das erfinden?"
Jetzt steht aber fest, dass sie nie schwanger war, nie überfallen wurde und sich die Wunden selbst zufügte. Wieso tat sie so was?
"Dass sich eine junge Frau selbst ritzt, kommt häufiger vor als man denkt", weiss Gerichtspsychiater Dr. Josef Sachs. "Diese Menschen spüren sich nur noch durch die Schmerzen."
Bei Paula O. kommen zwei Sachverhalte zusammen: Sie verstümmelt sich allem Anschein nach nicht nur selbst, sie gab auch Erlebnisse vor, die nie stattgefunden haben. "Das sieht man häufig bei Menschen, die unter psychischen Störungen leiden", erklärt Sachs. Dies könne verschiedene Ursachen haben: "Persönlichkeitsstörungen treten oft bei traumatischen Erlebnissen in der Kindheit auf."
"Menschen, die solche Erlebnisse erfinden, suchen Beachtung. Sie treten in den Opferstatus um Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erfahren." Wer so etwas tue, suche nach einer neuen Identität, da er mit der eigenen nicht zufrieden sei, erklärt Sachs.
Ausserdem geht es auch um ihren Aufenthaltsstatus, ihr zweijähriges Praktikum bei einer Firma in Zürch geht zu Ende. Möglichweise wollte sie damit Mitleid erregen und eine Verlängerung bei den Behörden erzwingen.
Selbstverstümmelungen und Behauptungen von Überfällen durch die „üblichen Verdächtigen“ kommen häufig vor.
- Als frei erfunden stellte sich etwa auch die Geschichte einer 23-jährigen Frau in Paris im Sommer 2004 heraus. Die Frau hatte der Polizei einen antisemitischen Überfall auf sie angezeigt. Ihr T-Shirt war zerrissen und auf ihren Bauch war ein Hakenkreuz gemalt. Eine Gruppe Jugendlicher habe sie im Zug angegriffen, behauptete sie. Sie hätten sie als Jüdin beschimpft und den Kinderwagen mit ihrem 13 Monate alten Baby umgeworfen. Rund 20 Leute seien in der Nähe gesessen, die alle nicht eingegriffen hätten. Politiker, Bürgerrechtsgruppen und jüdische Vereinigungen verurteilten die Attacke aufs Schärfste.
- Auch in Deutschland gaben angebliche extremistische Überfälle immer wieder zu Empörung Anlass: Eine 40-jährige Frau in Hagen gab 2003 an, sie sei von vier Skinheads vergewaltigt worden.
- Im Jahr 2000 stellte in Sebnitz die Familie eines sechsjährigen Buben, der beim Baden tödlich verunglückt war, den Unfall als Tat von Rechtsradikalen dar.
- 1994 ritzte sich in Halle eine 17-jährige Rollstuhlfahrerin ein Hakenkreuz in die Wange – angeblich ein Neonazi-Angriff.
Jetzt sind die Medien in Brasilien von der Attacke in die Defensive gewechselt, nachdem Behörden, Presse und Bürger der Schweiz Widerrufe eingefordert hätten. Die Hypothese einer rassistischen Attacke wurde sofort unterstellt, ohne Fakten zu haben, was dazu führte, vorschnell die Version der Brasilianerin zu akzeptieren.
Die brasilischen Generalkonsulin in Zürich, Vitoria Cleaver, stellte unterdessen gegenüber ihren Landesmedien klar, es gebe keinen Grund, die schweizerischen Angaben über die Nichtexistenz einer Schwangerschaft zu bezweifeln. Die Regierung der Schweiz würde keine Geschichte aushecken, die leicht zu entlarven wäre und einen diplomatischen Zusammenstoss zwischen Brasilien und der Schweiz provozierte, wurde Cleaver zitiert.
Die Zeitung "Folha de Sao Paulo" krebts jetzt zurück und schreibt, die Hypothese einer rassistischen Attacke sei wahrscheinlich gewesen und habe dazu geführt, vorschnell die Version der Brasilianerin zu akzeptieren.
Jetzt spielen sich die gleichen Medien kritisch auf. Staatspräsident Lula und Aussenminister Celso Amorim, so rügt die Zeitung, dürften sich nicht öffentlich zu Polizeiangelegenheiten positionieren, weniger noch, solange ihnen alle nötigen Informationen fehlten.
Zwei Tage zuvor hatte aber die gleiche Zeitung in Kommentaren von einem "Attentat", einer "bestialischen Episode" und ausserordentlicher "Roheit" gegen die Brasilianerin gesprochen. Eine Überschrift lautete: "Wir sind alle Paula".
Jetzt droht Paula O. eine Anklage wegen Irreführung der Rechtspflege.
Was lernen wir aus dieser Geschichte? Gerade wenn "hochemotionale" Ereignisse angeblich stattfinden, sollte man vorsichtig sein und nicht zu schnell in "Klischees" verfallen, Vorverurteilungen vornehmen und "Täter" beschuldigen, die man aus Voreingenommenheit gerne hätte. Wie wir hier sehen, wurde durch eine Lügengeschichte sogar eine Krise zwischen zwei Ländern hervorgerufen.
Man muss sich immer die Frage stellen, "wer hat was davon?" Man muss das Motiv hinterfragen. Bei vielen Fällen stellt sich heraus, der Täter war das "Opfer" selber, im Kleinen wie im Grossen. Ja Kriege sind sogar daraus hervorgegangen, wie das Märchen über die "Babykrippen", die angeblich Soldaten von Saddam Hussein in Kuwait auf den kalten Boden geschmissen hätten. Mit diesem inszenierten Schauermärchen wurden die Amerikaner dazu gebracht, den ersten Golfkrieg zuzustimmen.
Noch ein anderer "False Flag" lässt grüssen, "9/11 - Wir sind alle Amerikaner."
Sonntag, 15. Februar 2009
Wie die Lügen eines „Opfers“ eine Staatskrise auslöste
Eingestellt von Freeman-Fortsetzung um 05:11
Labels: Medien, Verbrechen
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