Mittwoch, 21. Januar 2009

Interview mit Christoph R. Hörstel

Die Taliban haben Obama einen Weg in den Frieden vorgeschlagen, wurden aber abgewiesen

Christoph R. Hörstel ist Experte für Islamismus und Terror und seit 1985 in Afghanistan und Pakistan unterwegs, wo er auch als Regierungsberater tätig war. Er verfügt über 22 Jahre Erfahrung aus erster Hand in Afghanistan, Pakistan, Kaschmir, Iran und Irak und gilt als ausgesprochener Kenner der Taliban und Situation in Afghanistan.

Er studierte Sinologie und Romanistik (Französisch, Spanisch) in München und war ab 1985 Mitarbeit beim ARD-Fernsehen als Sonderkorrespondent, Nachrichtenmoderator (2.500 live-Sendungen) und Chef vom Dienst. Ab 1999 wechselte er zu Siemens (mobile division) als Leiter der Bereichskommunikation, ab 2001 Gründung der Regierungs- und Unternehmensberatung „Hörstel Networks” in München. 2002 Master-Diplom für Marketingstrategie an der Universität Basel (CH).

2006 und 2007 coachte Hörstel ausgewählte Führungskräfte der deutschen ISAF-Truppe im Fach „Landeskunde Afghanistan“. Im WS 2006/7 lehrte Hörstel am „Institut für Friedensforschung und Sicherheit“ der Universität Hamburg zum Thema: „Terror-Mediation am Beispiel Afghanistan“.

Im September 2007 erschien Hörstels Buch: „Sprengsatz Afghanistan – Die Bundeswehr in tödlicher Mission“, und im September 2008 sein neuestes Buch: „Brandherd Pakistan – Wie der Terrorkrieg nach Deutschland kommt“.

Der im „Sprengsatz“ enthaltene Disengagement Plan für Afghanistan gewinnt im Deutschen Bundestag zunehmend an Befürwortern.

Nach 9/11 war Christoph Hörstel lange Zeit der einzige westliche Journalist mit direktem Zugang zur Taliban, und er ist mit dem ehemaligen afghanischen Ministerpräsident Gulbuddin Hekmatyar befreundet. Ich habe ihn über die Lage in Afghanistan und Pakistan gefragt, speziell da Barack Obama den Schwerpunkt des amerikanischen "Krieg gegen den Terror" dort hinverlegt.

Hier hören wir seine "exklusiven" Insider-Informationen, die sonst nur eingeweihten Kreisen vorbehalten sind, ein Knaller!

Teil 1:


Die bemerkenswerten Aussagen des Interviews sind:

- Das Obama-Team hat den Friedensplan der Taliban abgelehnt, obwohl Kabul praktisch eingeschlossen ist und die Taliban 70% des Landes kontrollieren.

- Das Bargeld für den Afghanistan-Einsatz kommt nicht aus den Staaten, sondern das US-Militär hat Druckplatten und Maschinen, um Vorort die benötigten Dollarnoten in beliebiger Menge zu drucken.

- Ziel des Afghanistan-Krieges ist die totale Destablisierung des Landes, damit es schwach und kontrollierbar ist, als Teil des Plans zur Umzingelung Russlands. Gleichzeitig auch um die Doppelpipeline für Gas und Öl von Turkmenistan nach Pakistan führen zu können.

- Als Mittel zum Ziel wird der Drogenanbau benutzt, in dem die US-Besatzer die Lizenzen für die Gebiete an die Warlords versteigern. Damit wird das Land zerteilt und die zentrale Regierung dadurch schwach und machtlos.

Zu Teil 2 des Interviews

Hier bereits die Erwiderung von Christoph Hörstel zur Antrittsrede von Barack Obama:

Liebe Freundinnen und Freunde,

in seiner u. a. Antrittsrede hat der neue US-Präsident Obama erklärt, dass Amerika wieder bereit sei zu führen. Aber wir sind nicht mehr bereit, uns von Amerika führen zu lassen. Kein Wort sprach Obama davon, dass legitime Führung sich durch Rechtsbindung legitimieren muss - die USA erkennen jedoch den Internationalen Gerichtshof in den Haag, das offizielle UNO-Gericht, nicht an, lassen nicht zu, dass ihre Staatsangehörigen hier zur Verantwortung gezogen werden. Eine hundertjährige Tradition, Kriegseintritte zu fälschen und Völker zu unterdrücken, ist nunmehr genug: Amerika wird sich in den Reigen der Völker friedlich und rechtmäßig eingliedern - oder untergehen.

Obama sagte, er wolle den Frieden in Afghanistan stärken - aber er hat den Kriegsminister von Kriegsverbrecher Bush, Gates, in sein Kabinett übernommen, wobei er das Wahlversprechen eines glaubwürdigen Politikwechsels brach; und als einzige vorab bekannt gewordene Entscheidung hat Obama die Verdoppelung des jetzigen Truppenkontingents am Hindukusch, 30.000 zusätzliche Soldaten, ankündigen lassen. Verhandlungsangebote des afghanischen Widerstandes und aus der Bevölkerung ("Friedensjirgah") hat er, ebenso wie die Komplizenregierung in Berlin, geflissentlich übersehen, bzw. unterdrückt. Das kann nichts Gutes bedeuten.

In seinen Bemerkungen zum Thema "Terror", das sein krimineller Amtsvorgänger erst richtig aufgebaut hatte, ist ihm nichts wesentlich Neues eingefallen. Kein Wort davon, dass die Ursachen des Terrors politischer Natur sind - und nur mit diesen Mitteln nachhaltig überwunden werden können.

Er wolle den Irak an dessen Volk zurückgeben, sagte Obama - wir werden nachzählen, wie viele Soldaten und Privatsöldner dort stationiert bleiben.

Seinen Feinden bot er die Hand an, wenn sie die Faust öffnen. Tatsache bleibt jedoch, dass es die aggressiv-feindselige Politik und und heimliche Aktivitäten der USA waren, die diese Lage erst hervorbrachten - und dass es deshalb keinem Volk anzuraten ist, im Kontakt mit den USA die Faust zu öffnen. Vielmehr müssten erst die USA unter nachhaltigen Beweis stellen, dass sie von ihrer verbrecherischen Weltbeherrschungsstrategie dauerhaft Abstand nehmen, bevor andere Völker wieder Vertrauen zeigen können. Doch entsprechende Angebote hat Obama weder angedeutet noch im Sinn - noch könnte er sie gegen seine mächtigen Helfer im Hintergrund durchsetzen.

100 Tage, heißt es bei uns immer so nett, sollte man einer neuen Regierung Zeit geben. Obama wird sie nicht bekommen - und er braucht sie auch nicht: Alle schlechten Gewohnheiten Amerikas werden fortgesetzt, vielleicht nicht mehr so direkt selbstzerstörerisch, nicht mehr so radikal, aggressiv und ruppig wie unter Bush - aber fortgesetzt. Dabei wird ein freundliches Gesicht mit guten persönlichen Manieren im Weißen Haus nicht vergessen machen, was Bürgersohn Frank Zappa über Amerika gesagt hat: Politik ist die Unterhaltungsabteilung der Industrie. Die neueste Show ist besser als die alte - zumindest der Anfang.

Wir schaffen es entweder, aus der Vergangenheit tatsächlich zu lernen und auf eigene deutsche und europäische Füße zu kommen, in kritikfähiger Freundschaft und unter Ausschluss weiterer Komplizenschaft mit den USA - oder wir könnten alle zusammen der Zweit- und Drittklassigkeit entgegen humpeln.

Russland wirbt um unsere Freundschaft? - das wird es dann nicht mehr geben. China wird uns unsere Patentrechte vor die Füße werfen, genutzt aber nicht bezahlt, zum Beifall der Mehrheit aller Völker. Und Israel als Nato-Mitglied und Nuklear-Großmacht wird die fünfte Nachzahlung auf unser Holocaust-Verbrechen verlangen. Es war ohnehin nie wirklich wieder "gutzumachen" - sondern stets eine Verpflichtung zu einer fortan ehrlichen Politik. Die Chance dazu verspielen wir gerade.

Mit besten Grüßen und Wünschen

Christoph Hörstel

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