Hier die Fortsetzung des II. Teils meines Interviews mit William Engdahl:
III. und letzter Teil
Freeman: Jetzt haben wir die Situation in Amerika, viele Leute verlieren ihre Häuser und die Finanzkrise zerstört ihre Existenz. Auch in Europa gehen wir in diese Richtung. Was meinen sie können wir in der Zukunft erwarten?
Engdahl: Was jetzt kommt, und die Banken haben dies aus ihren Büchern rausgehalten, weil das geniale an der Verbriefungsrevolution ist, sie können die Auflagen von Basel I damit umgehen und die US-Banken haben nicht mal Basel II unterschrieben. Ausserdem hat Greenspan sich vehement dagegen gewehrt, den amerikanischen Finanzsystem irgendwelche Einschränkungen aufzuerlegen.
Nur, diese faulen Kredite aus den Hypothekenschulden stehen eben dann doch in den Bilanzen und müssen jetzt massiv abgeschrieben werden. Das geht soweit, dass die Abschreiber höher sind als das Kapital der Bank, und ohne frischem Geld sind sie pleite. Das passiert ja laufend, Abschreibungen in zweistelligen Milliardenhöhen und die Suche nach neuen Geldgebern. Nur es nimmt keine Ende, denn der Höhepunkt der Katastrophe kommt noch.
Was jetzt passiert, die Menschen welche in diese räuberische Hypotheken reingelockt wurden, welche alle amerikanische Gross- und Hypothekenbanken ihnen andrehten, erleben eine massive Hypothekenjustierung, sie müssen jetzt erheblich mehr für ihr Häuschen zahlen als vorher.
Es war nämlich so, bis zum Höhepunkt der Hypothekenblase Ende 2005, Anfang 2006 wurden die Hausbesitzer mit niedrigen oder gar keinen Zinsen zur Unterzeichnung der Verträge geködert, mit der versteckten Klausel im Kleingedruckten, die Zinsen würden nach zwei Jahren auf Marktniveau steigen.
Damit bekamen Leute Hypotheken und haben sich Häuser gekauft, die streng genommen gar nicht dazu qualifiziert waren und sicher nicht für die nächsten 10 oder 20 Jahre die Zinsen zahlen können. Sie wurden einfach mit Lockvogelangeboten reingelegt und mussten in den ersten zwei Jahre nichts oder nur wenig zahlen.
Freeman: Es sieht aus, wie wenn alles geplant gewesen wäre um den kleinen Mann reinzulegen, und die Unverschämtheit ist, Greenspan drehte dann an der Zinsschraube.
Engdahl: Ja, das funktionierte gut, ausser in der Zwischenzeit fing Greenspan an die Zinsen alle 6 Wochen zu erhöhen, und sein Nachfolger auch, bis zum Höhepunkt im Sommer 2007. Die mittlerweile panikartigen Zinssenkungen von Bernanke ändern nichts an der Situation, denn die kommen nur seinen Wall Street Freunden zu Gute, die mittel- und langfristigen Hypothekenzinsen für den kleinen Mann haben sich ganz wenig verringert.
Was dann letztes Jahr 2007 begann und in diesem Jahr 2008 seinen Höhepunkt erreichen wird, ist der Auslauf dieser Zweijahresfrist und nun kommt die Welle der Hypothekenblase aus 2006 voll zum tragen. Die Verträge der ganzen Hausbesitzer schalten jetzt um auf die hohen Marktzinsen, die sie aber nicht zahlen können. Damit werden nun $690 Milliarden dieser Hypothekenjustierungen bis Juli dieses Jahres stattfinden und die Zinsen dafür fällig.
Eine unglaubliche Summe. Das wird eine Explosion an unbezahlbaren Hypotheken verursachen, was mindestens die nächsten 2 Jahre beeinflussen wird. Natürlich werden die Leute so lange wie möglich sich an ihre Häuser klammern und auf vieles verzichten, sogar auf ordentliches Essen, nur um ihre Hypotheken zahlen zu können, schliesslich benötigen sie ein Dach über den Kopf.
Aber dies verzögert nur das Unvermeidliche, der Rückstau an unbezahlten Hypotheken wird immer grösser. Wer dreimal hintereinander die monatliche Rate nicht zahlt, dem droht die Räumung und muss raus. Die Banken versuchen dann über eine Zwangsversteigerung einen Teil der Schuld wieder reinzubekommen.
Freeman: Warum sehen wir jetzt in Amerika so eine grossflächige Epidemie an Verarmung?
Engdah: Was jetzt passiert, ganze Regionen und Stadteile quer über Amerika sind durch diese Masse an Zwangsräumungen betroffen. Schöne, ruhige und stabile Wohngegenden der Mittelklasse, wo die Immobilienpreise ständig gestiegen sind, verwandeln sich innerhalb kürzester Zeit in leere, verwahrloste Gettos, der ganze Häusermarkt bricht zusammen, die Menschen verlassen ihre Häuser, entweder weil sie müssen oder sie flüchten einfach vor der finanziellen Last und lassen alles liegen und stehen.
Gleichzeitig verlieren ja viele auch ihre Arbeitsstellen und mit dem niedrigeren oder fehlenden Einkommen, ist der Traum von eigenen Haus sofort zu Ende. Die Amerikaner haben doch keine Ersparnisse, im Gegenteil, die sind über beide Ohren wegen dem Konsumrausch hoch verschuldet. Wenn der wöchentliche Gehaltsscheck nicht mehr eintrifft, ist Schluss.
Man darf nicht vergessen, die Amerikaner sind nicht so gesetzestreu und brav wie die Europäer, oder so sesshaft, sie sagen einfach tschüss, ich kann mein Haus nicht mehr bezahlen und muss deshalb weg. Sie gehen in ein anderes Bundesland und suchen dort neue Arbeit und einen Platz zum Wohnen. Die haben kein schlechtes Gewissen deshalb.
Dazu kommt dann noch, sobald die Häuser verlassen werden, ziehen Drogenhändler und anderes Gesindel ein. Diese Hausbesetzungen bewirken aber einen weiteren Zerfall der Nachbarschaft, die restlichen Hausbesitzer welche keine Hypothekenprobleme haben bekommen Angst und hauen dann auch noch ab. Und das passiert in Massen, ein ganzes Volk ist in Bewegung.
Wir sind dadurch am Anfang einer neuen Grossen Depression in den Vereinigten Staaten, die meiner Meinung nach, gleich oder sogar noch schlimmer sein wird als 1929, abhängig davon was für eine Politik in den USA und der Welt gefahren wird.
Freeman: Wie sehen sie die Zukunft und werden die Wahlen im Herbst etwas ändern?
Engdahl: Diese sehr schlechte Wirtschaftslage wird Jahre andauern und ich sehe keine Besserung mit den Lösungen die vorgeschlagen werden. Es ist sogar so, keiner der Präsidentschaftskandidaten redet gross darüber und bietet eine konstruktive Lösung an, und John McCain schon mal gar nicht, der ist ja nur auf Kriege fixiert. Die tun alle so wie wenn alles in Ordnung wäre und wollen nicht sehen, wie die Wirtschaft und die Gesellschaft in Amerika zusammenbricht.
Es finden lächerliche Diskussionen im TV statt, man streitet sich darüber, ob eine Rezession überhaupt schon begonnen hat oder nicht, und Bush leugnet sowieso alles, wie er immer alle Probleme leugnet und ignoriert.
Die Realität ist aber, nicht nur hat eine Rezession schon lange begonnen, Amerika steht am Anfang einer Depression und wir gehen in eine Weltwirtschaftskrise.
Und die grosse Hoffnung für den „Change“, für eine Veränderung in Amerika, Barack Obama, der hat doch tatsächlich den ehemaligen Fed-Chef Paul Volker als Wirtschaftsberater. Sollte Obama Präsident werden, braucht es keine grosse Fantasie, was dieser dann für radikale Lösungen umsetzen wird.
Freeman: Was raten sie uns sollen wir tun?
Engdahl: Wir in Europa stehen vor einer grossen Herausforderung, denn durch die Globalisierung der Finanzmärkte und der Wirtschaft, sind wir mit Amerika verbunden, sind die Probleme schon bei uns. Es läuft ein Dominoeffekt ab, ein Stein fällt um und bringt den nächsten zum umfallen usw. Wir können nur hoffen, dass die Weltwirtschaftskrise in abgeschwächter Form bei uns stattfindet. Amerika wird es sicher ganz böse erwischen.
Es ist nicht meine Aufgabe den Menschen zu raten was sie im einzelnen tun sollen. Ich zeige die Probleme auf und erläutere die Zusammenhänge. Jeder muss daraus seine eigenen Schlüsse ziehen und Massnahmen treffen. Ich wünsche uns allen, dass wir über diese Durststrecke einigermassen unbeschadet hinwegkommen, aber ohne gewisse Schmerzen und Einschnitte wird es auch hier nicht gehen.
Freeman: Vielen Dank für dieses Interview.
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Montag, 14. April 2008
Interview mit William Engdahl - Teil 3
Eingestellt von Freeman-Fortsetzung um 04:30
Labels: Interview, Wirtschaft
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