Sonntag, 16. November 2008

Wikipedia.de von Ex-Stasimitarbeiter gesperrt

Ein deutsches Gericht hat wikipedia.de per einstweiliger Verfügung gesperrt. Grund war die Klage des Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann, Mitglied der Partei «Die Linke». Die Einträge über seine Person im Online-Lexikon seien persönlichkeitsverletzend und rufschädigend, argumentierte der Politiker. Er fand damit am 13. November bei den Richtern Gehör, wie nun am Wochenende publik wurde.



Auf Wikipedia.de war über das Wochenende nur eine Startseite mit einer juristischen Begründung zu sehen. Diese Adresse verlinkt zum eigentlichen Inhalt, der auf amerikanischen Servern sitzt. Hier sehen wir bei de.wikipedia.org, was die deutschen Wikipedia-Benutzer nicht sehen sollen, obwohl der Inhalt mitlerweile überarbeitet wurde.

Lutz Heilmann hat einen ihm offenbar missliebigen biografischen Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia dazu benutzt, die ganze deutsche Web-Adresse des populären Nachschlagewerks sperren zu lassen. Man darf über die Vergangenheit und jetzige Nebentätigkeit eines Bundestagabgeordneten nicht informieren. Wie man an Hand der überarbeiteten Seiten in Wikipedia sehen kann, soll Heilmann angeblich einen Online-Sexartikel-Versand betrieben und seinen Lebensgefährten nach der Trennung bedroht haben.

Laut Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, hat Heilmann im Bundestag "nichts zu suchen". Wenn ein ehemaliger hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter im Parlament sitze, würde "die Beteiligung an einem Instrument der inneren Unterdrückung zu einem Kavaliersdelikt" verharmlost, sagte Knabe. Bei den Mitarbeitern der Hauptabteilung Personenschutz, für die Heilmann von 1985 bis 1990 tätig war, habe es sich nicht um "einfache Türsteher", sondern vielmehr um eine "hochprofessionelle, bewaffnete Bewachung" der obersten Partei- und Staatsführung zum Schutz vor der Bevölkerung gehandelt. "Für Opfer des DDR-Regimes ist es eine unerträgliche Vorstellung, dass ein Mann mit dieser Vergangenheit im Parlament sitzt", sagte Knabe.

Wenigstens profitiert Wikipedia von dem Streit mit dem Politiker. Das Spendenaufkommen für das Online-Lexikon am Samstag, dem ersten Tag der Sperre, stieg auf 16.000 Euro - im Vergleich zum durchschnittlichen Spendenaufkommen von täglich rund 3000 bis 3500 Euro in der Woche zuvor.

Diese Blockade ist ein Armutszeugnis für die deutsche Rechtssprechung, die über die Priorität der freien Information so entscheidet. Warum soll man die ganze wikipedia.de Adresse sperren, wenn nur ein Artikel darin betroffen ist?

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.