Sonntag, 17. August 2008

Die Rezession hat Europa jetzt voll erwischt

Die Eurozone wird möglicherweise komplett auseinanderfallen, ausser es findet eine Rettungsaktion durch Deutschland statt, die in seiner Grössenordnung den Reparationszahlungen Berlins durch den Versailler-Vertrag nach dem I. Weltkrieg gleichkommt.

Die Party ist vorbei. Die Wirtschaft in Italien, Frankreich und auch Deutschland ist im ersten Quartal geschrumpft und Europa ist in einer Rezession. Damit ist die Behauptung widerlegt, Europa könnte die negativen Auswirkungen aus der amerikanischen Kreditkrise schadlos überstehen.

Für Spanien sieht es ganz übel aus und deshalb musste der spanische Premierminister Luis Zapatero seinen Urlaub absagen und das Kabinett zu einer Notfallsitzung nach Madrid zurückberufen, die erste seit der Franco-Diktatur. In der Sitzung wurde ein Sofortprogramm in Höhe von 20 Milliarden Euro beschlossen, zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen, Steuersenkungen und eine Rettungsaktion für notleidende Hypotheken, um den totalen Absturz zu verhindern.

Weitere Länder erleben ein negatives Wachstum, wie Irland, Dänemark, Lettland und Estland, während Schweden und die Niederland null Wachstum verzeichnen. In Island ist die Wirtschaft um sagenhafte 3.7 Prozent zurückgegangen und Grossbritannien schlittert ebenfalls in eine Rezession, wie aus den neuesten Daten von Eurostat zu entnehmen ist.

Aber alle OECD-Länder, die zwei Drittel der Weltwirtschaft ausmachen, sind jetzt durch einen grösseren wirtschaftlichen Niedergang betroffen. Der Ölpreisschock in den letzten sechs Monaten hat einen dramatischen Effekt auf die Industrie von Japan und Deutschland bewirkt.

Die Eurozone als Ganzes ist um 0.2 Prozent geschrumpft, der erste Rückgang seit der Einführung der Einheitswährung Euro. Deutschland führt den Rückgang mit 0.5 Prozent an, gefolgt von Frankreich und Italien, mit 0.3 Prozent. Der zeitverzögerte Effekt des starken Euros, die eingeschränkte Kreditvergabe und die Verlangsamung der Exporte greifen jetzt um so stärker.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sieht in dem Konjunktureinbruch im Frühjahr ein "Alarmsignal" und fordert die Politik zum Gegensteuern auf. (Reuters)

Die EZB und ihr Präsident Jean-Claude Trichet haben wohl die Grössenordnung des Konjunktureinbruch falsch eingeschätzt und einen grossen Fehler mit der Erhöhung der Zinsen um ein ¼ Punkt auf 4.25 Prozent im letzten Monat begangen.

Es wahr ja bis dahin für jeden klar zu sehen, wie die Immobilienmärkte im ganzen EU-Raum drastisch sinken, speziell in Spanien und Grossbritannien.

Wir sehen eine tiefe globale Rezession,“ sagt der Chefstratege der Societe General Albert Edwards. „Das Wachstum in der Eurozone, in Japan und Grossbritannien geht zurück. Die meisten akzeptieren, dass eine Rezession bei allen drei begonnen hat,“ sagte er.

Edwards sagt einen „Kollaps“ der Emerging Markets, also Asien als nächstes voraus. „Was wir bisher gesehen haben ist noch gar nichts.

Am schockierenden ist die Geschwindigkeit des Niedergangs in Deutschland“ sagte Albert Edwards. „Ich glaube es gab sehr viel Selbstüberschätzung bei der EZB. Sie hatten eine spöttische Einstellung gegenüber den USA, sagten die Federal Reserve würde ihre Zinsen zu aggressiv senken. Jetzt ernten sie die bittere Frucht ihrer Politik,” sagt er.

Julian Callow der Chefökonom zuständig für Europa bei Barclays Capital sagt, die EZB hat sich mit der Zinserhöhung im Juni geirrt.

Sie haben sich in eine Ecke hineinmanövriert und kommen nicht mehr raus. Ihr August-Bericht zeigt, sie sind jetzt aufgewacht und realisieren es gibt einen Abschwung,“ sagte er. „Rezessionen sind in Europa ein ziemlich schlimmes Ereignis, sie sind viel stärker und länger wie in den USA, die besser mit den Auf und Nieder der Wirtschaftszyklen klar kommt,“ sagte er.

Callow sagt, die erlaubte Defizitgrenze von 3 Prozent des BIP macht es unmöglich für viele Länder, die harte Landung durch erhöhte Staatsausgaben abzufedern. Frankreich und Italien sind schon am Limit und Italien muss jetzt erhebliche Ausgabenkürzungen vornehmen, trotzt des Abschwungs.

Bernard Connolly, Globalstratege bei Banque AIG sagt, die Eurozone wird möglicherweise komplett auseinanderfallen, ausser es findet eine Rettungsaktion durch Deutschland statt, die in seiner Grössenordnung den Reparationszahlungen Berlins durch den Versailler-Vertrag nach dem I. Weltkrieg gleichkommt. „Das Platzen der Kreditblase in der europäischen Währungsunion scheint bevorzustehen und es wird Leistungsbilanzdefizite innerhalb der Eurozone aufzeigen, die sehr gefährlich sind. Die mittelfristige Haltbarkeit der Eurozone in ihrem jetzigen Zustand ist sehr zweifelhaft,“ sagte er.

Die EZB, und damit Deutschland, schicken schon seit langem Hunderte Milliarden Euro an die Mittelmeerländer, damit diese überhaupt innerhalb der Eurozone funktionieren können. Früher haben Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ihre geringere Produktivität durch eine Abwertung ihrer Währungen ausgleichen können. Seit dem Beitritt zum Euro ist diese Möglichkeit einer souveränen Entscheidung ihnen weg genommen worden. Die Währungspolitik wird über ihre Köpfe hinweg in Frankfurt gemacht, für alle Länder gleich, ohne Rücksicht auf ihre lokalen Verhältnisse. Die Gleichmacherei der Zins- und Währungspolitik funktiert aber nicht und führt zu sehr grossem Stress im System, der bisher mit verdeckten Zahlung ausgeglichen wurde.

Spanien benötigt aber jetzt eine Währungsabwertung von 30 Prozent und Griechenland sogar eine von 40 Prozent, um den Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit wieder ins Lot zu bringen. Das Leistungsbilanzdefizit von Spanien liegt bei 10 Prozent des BIP und in Griechenland bei 14 Prozent.

Die spanische Nationalbank verkündete, das spanische Kreditnehmer bis jetzt fast 50 Milliarden Euro von der EZB sich geliehen haben. Damit wird bestätigt, dass die spanischen Banken, weil sie so stark dem zusammenbrechenden Immobilienmarkt ausgesetzt sind, nur noch durch den EU-Steuerzahler am Leben erhalten werden.

Wie lange soll diese teure Subvention der kranken Mittelmeerländer andauern, nur um die Währungsunion und damit die EU zu retten? Und wie lange kann sich die EZB und Deutschland das überhaupt leisten?

Der spanische Finanzminister Pedro Solbes sagte „Die Wirtschaftssituation ist schlimmer als wir vorhergesagt haben. Wir dachten es passiert langsam, aber stattdessen trifft es uns schnell.“ Die Bauindustrie erreichte in Spanien einen Anteil von sagenhaften 18 Prozent des BIP im Jahre 2007, hauptsächlich finanziert durch Kapital aus dem Ausland. Alleine im letzten Jahr des Booms 2007, wurden 800'000 Wohneinheiten gebaut, die jetzt niemand kauft.

Es gibt einen Überbestand an Immobilien in Spanien, welcher den Bedarf von 1 1/2 Jahren abdeckt. Jetzt fliesst kein Geld mehr ins Land und dieser Wirtschaftssektor ist im freien Fall. Die Arbeitslosigkeit ist um 457'000 gegenüber letztes Jahr gestiegen und die Industrieproduktion im Juni um 9 Prozent gefallen.

Wenn die wirtschaftliche Situation der einzelnen EU-Länder schlimmer wird und die Währungsungleichheit nicht mehr durch Zahlungen der EZB ausgeglichen werden kann, dann wird das ganze künstliche Schönwettergebilde EU und Euro auseinanderfallen. Dann tritt der Egoismus der einzelnen Länder wieder zu Tage und sie werden austreten um ihre Probleme wie früher zu lösen. Dann heisst es nur noch, rette sich wer kann.

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