Montag, 8. Juni 2009

Warum die Bundeswehr in Afghanistan nichts zu suchen hat

Kritik der Argumentation der Bundesregierung von Christoph R. Hörstel

1. "Wir schicken Truppen nach Afghanistan, um die Entwicklungshilfe zu sichern."

1.1. Die Entwicklungshilfe für Afghanistan macht etwa 1/10 bis 1/14 der Sicherheitsaufwendungen der "Geberländer" aus, im deutschen Verantwortungsbereich immer noch etwa 1/5 bis 1/7. Damit jedoch ist die Entwicklungshilfe eher das Feigenblatt eines Militäreinsatzes.
1.2. Diese Entwicklungshilfe erfolgt nicht strategisch, zum Beispiel für eine nachhaltige, die nationale afghanische Eigenständigkeit fördernde Politik, sondern eher wahllos, unterkoordiniert und nicht an den Interessen des Landes ausgerichtet.
1.3. Etwa 40% der "Entwicklungshilfe" fließt auf verschiedenen Kanälen an die "Geberländer" zurück.

2. "Wir wollen in Afghanistan eine demokratische Entwicklung fördern."

2.1. "Man komme mir nicht mit Demokratie", beschwert sich EU-Wahlbeobachter Prof. Scholl-Latour auf S. 16 seines jüngsten Buches, "Russland im Zangengriff" und beschreibt die Unzulänglichkeiten des afghanischen Systems. Präsident Karzai wird weltweit, auch von hochrangigen Politikern der Natoländer, als machtlose Marionette beschrieben, deren Ablösung dabei keineswegs tabu bleibt.
2.2. Provinzgouverneure werden in Afghanistan nicht gewählt, sondern von eben diesem machtlosen Präsidenten ernannt. Dies geschieht, obwohl jeder Anfänger weiß, dass Afghanistan in seiner Geschichte niemals eine starke Zentralregierung besaß, sondern die regionalen Mächte aus der Hauptstadt bestenfalls erfolgreich moderiert wurden.
2.3. Die Korruption in Afghanistan wird auch in Ihren Medien gelegentlich benannt. Sie ist weiträumig, allgemein, ergreift das gesamte Kabinett und reicht bis zum Bruder des Präsidenten Hamid Karzai, Wali, der sogar aus US-Quellen als Drogenwarlord bezeichnet wird. Dies alles geschieht unter den Augen der Geberländer. Warum wird nicht untersucht, weshalb wir nicht genügend dagegen unternehmen?

3. "Wir müssen die Rückkehr der Taliban an die Macht verhindern."

Unser Militäreinsatz hat als stärkstes Instrument vorrangig dazu geführt, dass die Taliban erstarkt sind - und weiterhin erstarken. Auch britisches Spitzenpersonal erkennt inzwischen den von den Taliban seit langen erklärten Zusammenhang zwischen steigenden Truppenzahlen und steigender Unsicherheit an. Die heimliche Unterstützung aus Pakistan für die Taliban tut ein Übriges, s. Punkt 5. Und weil Armee, Polizei und Rechtssystem Afghanistans rettungslos in die Korruption abgleiten, gewinnen die Taliban als Richter, Polizisten und Kämpfer immer mehr Zulauf, (vgl. diverse Veröffentlichungen Prof. Barnett Rubin, Univ. NY, USA, ex-Berater Kofi Annans). Und ohne Vollverschleierung bei den Frauen ist außerhalb Kabuls nichts möglich: Die unglaubwürdige Betonung dieser Frage ist vielen inzwischen verdächtig: Man bemerkt die Absicht und ist verstimmt.

4. "Das afghanische Volk braucht uns - und will nicht, dass wir es im Stich lassen."

4.1. Es gibt eine notwendige Differenzierung zwischen Armut und Bedürftigkeit der Afghanen und dem Sinn dieses Militäreinsatzes, den sogar Offizielle unseres britischen Verbündeten stark in Zweifel ziehen. Wir sollen mehr helfen - und endlich mit einheitlicher Strategie entlang den afghanischen Bedürfnissen - und wir müssen das militärische Element, das so viel Unheil gebracht hat, endlich
zurückfahren, auch Karzai hat deutlich erklärt, dass er mehr deutsche Soldaten nicht wünscht.
4.2. Das afghanische Volk braucht nicht unser Bomben auf Zivilisten, unsere Uranwaffen (bei Ihnen glatt vollständig verschwiegen, trotz offenen Eingeständnisses auf der US-Luftwaffen-Website "Air Force News"), nicht unsere Folter (ai-berichte) - sondern echte, faire Hilfe, s.o., Punkt 1.
4.3. Die deutsche Entwicklungshilfe-Vereinigung VENRO fordert klar viel mehr Hilfe und viel weniger Militär - und vor allem keine Vermischung nach dem gescheiterten CIMIC-Modell.
4.4. Es ist mir unverständlich, wie unser Außenamt dem Vorsitzenden der afghanischen "Friedensjirgah", Herrn Mohammad Zaman Mozamil und seinen Begleitern, die Einreise auf Einladung der deutschen Friedensbewegung verweigern konnte - und die Medien berichten nicht genügend oder gar nicht. Die Friedensjirgah wird von der Nato auch politisch ausgegrenzt und nicht als Gesprächspartner anerkannt, obwohl Karzai sie unterstützt.
4.5. Es bestätigt sich auch hier wieder meine alte Erfahrung: Die Afghanen würde miteinander Frieden schließen und halten können, wenn die Nato sie ließe. Die traurige Tatsache: Politisch haben wir Afghanistan schon lange im Stich gelassen - es wird Zeit, dass wir die Truppen abziehen und die Entwicklungshelfer arbeiten lassen.

5. "Wir müssen uns vor Terror hier bei uns schützen, indem wir ihn in Afghanistan bekämpfen."

5.1. Die USA betreiben nachweislich keinen "Antiterrorkrieg", sondern stützen auch Al-Qaeda, wie sich herausstellt. Dazu nutzt die CIA die Jahrzehnte alten Verbindungen pakistanischer Dienste wie des Militärgeheimdienstes ISI (Inter Services Intelligence) in diese Kreise.
5.2. Der ISI stellt, wie Ahmed Rashid ("Taliban") in seinem neusten Werk "Descent into Chaos" (NY 2008) feststellt: Logistik, Nachschub, Training und Informationen, bis hin zu handfestem Feuerschutz, über den US-Truppen immer wieder berichten, wenn sie Grenzscharmützel beschreiben.
5.3. Der Schriftsteller Jürgen Elsässer beschreibt in seinem neuesten Buch "Terrorziel Europa. Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste" die tiefe Verwicklung und Verstrickung europäischer Geheimdienste in das angebliche "Terror"-Geschehen hier bei uns. Ich selbst habe gleichlautende Aussagen aus erster Hand der bayerischen Polizei.

6. "Wir erfüllen in Afghanistan unsere Bündnisverpflichtungen"

Die USA sind in Afghanistan, abgesehen von strikt kontraproduktiver Politik, in drei Verbrechenstypen verwickelt: Verwendung von Uranwaffen, Mord an Zivilisten mit Bomben, Raketen, Artillerie und leichteren Waffen sowie Folter. Das alles ist erwiesen. Hier Bündnisverpflichtungen als Begründung für politisches Mittun vorzutragen, hieße der Komplizenschaft das Wort zu reden. Komplizentum ist jedoch das Gegenteil von Freundschaft. "Nibelungentreue" ist eine Spezialität Deutschlands. Sie hilft hier weder Afghanistan noch den Amerikanern.

Dazu möchte ich noch folgendes ergänzen:

1. Die Taliban haben noch nie einen Terrorangriff irgendwo auf der Welt durchgeführt, nicht gegen Amerika und schon gar nicht gegen Deutschland. Deshalb ist die Ausrede, "Wir müssen uns vor Terror hier bei uns schützen, indem wir ihn in Afghanistan bekämpfen" eine glatte Lüge. Die Taliban wehren sich nur gegen die Invasoren, zuerst gegen die sowjetischen Eroberer und jetzt gegen die westlichen NATO-Truppen. Dieser Abwehrkampf ist völlig verständlich und berechtigt, denn jedes Volk würde sich gegen fremde Besatzer wehren und hat das Recht dazu.

2. Es ist eine Doppelmoral und Heuchelei, wenn Amerika während der sowjetischen Okkupation Afghanistan die Taliban mit allen Mitteln unterstützte, mit Geld, Ausbildung und Waffen, sie damals auch heroische Freiheitskämpfer nannte, aber dann später als sie selber in das Land einmarschierten, diese selben Taliban auf einmal zu bösen Terroristen umdeklarierte, die bekämpft werden müssen. Was für eine pervertierte Politik ist das, wenn man zuerst die Taliban aufbaut und als Verbündeten ansieht, um die sowjetischen Besatzer zu bekämpfen, um sie dann als Feinde und Terroristen anzusehen, wenn man selber der Besatzer wird?

3. Der Hauptgrund den die Amerikaner für die Invasion und Krieg in Afghanistan angeben, die Taliban hätten Osam Bin Laden mit seiner Al-Kaida beherbergt, der angeblich die Anschläge vom 11. September 2001 geleitet und Amerika damit angegriffen hat, stimmt nicht und ist auch gelogen, denn die Amerikaner haben Bin Laden bis heute deswegen weder angeklagt, noch suchen sie ihn wegen 9/11. Warum? Weil sie zugeben müssen, dass sie keinen einzigen Beweise gegen ihn haben. Wenn sie keine Beweise für seine Führungsrolle und Tat haben, wie können sie dann einen Krieg damit begründen?

4. Wie kann man gegen ein Land einen Krieg führen, nur weil sie Fremde beherbergten, die angeblich einen Anschlag verübt haben? Dann hätten die Amerikaner auch Deutschland bombardieren müssen, denn der angebliche Hauptattentäter Mohammed Atta studierte von 1993 bis 1999 an der Universität Hamburg und wohnte in der Marienstrasse in Hamburg-Harburg. Ausserdem waren 13 der 19 angeblichen Attentäter saudische Staatsbürger, keiner war ein Afghane. Wieso hat man dann nicht Saudi Arabien angegriffen, wenn sie von dort stammen. Umgekehrt, warum bombardiert man Afghanistan, wenn keiner von dort her kommt?

5. Die Taliban haben ausdrücklich den Amerikanern bereits am 12. September 2001 mitgeteilt, wenn sie Beweise für die Täterschaft von Bin Laden betreffen 9/11 haben und sie vorlegen können, dann sind sie bereit in einem Rechtshilfeverfahren Bin Laden auszuliefern. Dazu ist es nie gekommen, weil Amerika die Beweise nie erbracht hat und weil weniger als einen Monat nach 9/11, am 7. Oktober 2001, bereits die Bombardierung des Landes begann. Der Krieg war somit von langer Hand geplant und das Militär stand für den Angriff bereit, 9/11 hatte damit gar nichts zu tun, sondern wurde nur als Ausrede verwendet.

6. Die Amerikaner führen jetzt seit acht Jahren Krieg in Afghanistan, viel länger als jeweils der I. Weltkrieg, der II. Weltkrieg und der Koreakrieg. Was haben sie in dieser Zeit erreicht? Nichts, ausser Tod und Zerstörung. Ihre Absicht ist es nicht das Land zu befrieden und Demokratie den Afghanen zu bringen, das ist lächerlich, sondern einen endlosen Krieg zu führen, damit die Waffenindustrie brummt und sie Zentralasien permanent destabilisieren und damit kontrollieren können. Die Bundeswehr und die anderen NATO-Partner sind nur die "nützlichen Idioten", um den amerikanischen Imperialismus zu ermöglichen.

7. Da Amerika NICHT von der Taliban-Regierung Afghanistans am 11. September 2001 angegriffen wurde, gibt es auch keinen NATO-Bündnisfall, gibt es keine Verpflichtung seitens der Bundesrepublik Deutschland in einen Angriffskrieg einzutreten, den der Bündnispartner USA von sich aus angefangen hat. Deshalb ist die Behauptung "Wir erfüllen in Afghanistan unsere Bündnisverpflichtungen" genau so eine Lüge wie der ganze Krieg. Es liegt gar kein Angriff auf die Vereinigten Staaten vor, der nach Artikel 5 des NATO-Vertrages einen Beistand rechtfertigt. Der Krieg dort ist völkerechtswidrig und illegal und eine Teilnahme der deutschen Bundeswehr auch.

Deshalb, die Bundeswehr hat in Afghanistan überhaupt nichts zu suchen!

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